Atelier Sylvia Beyen

 

                                                                                                                                                                                

Ein schnelles Stell-dich-ein

Es begab sich zu einer Zeit, als ich noch ein bisserl jünger war. Meine Tochter ging schon in den Kindergarten und ich brachte sie jeden Tag zu Fuß durch den großen Park dorthin. Morgens war es am schönsten. (Wenn es nicht gerade regnete oder schneite) Aber da mußte ich halt durch. Schließlich wollte ich nicht, dass meine Tochter ohne soziale Kontakte dahinvegitierte. Auch wenn es Spielplätze gab (und das nicht wenige) aber leider waren die nicht gut besucht und ausserdem konnte ich es nicht ertragen mich ständig über Windeln oder Tomatenpreise zu unterhalten. Also ging sie ganze Tage hin um wirklich genügend Kinderkontakte zu bekommen. Ich beschäftigte mich damit meinen Bauch zu pflegen. Ja, genau! Ich war wieder schwanger. Glücklich darüber beschwerte ich mich nicht mal als mir drei mal täglich schlecht wurde. Nein, ich ertrug auch die Kreislaufschwierigkeiten und meine anschwellenden Füße. Kurzfristig sah es aus als wollte mein Baby nicht bei mir bleiben. Aber das überlegte Es sich wieder und blieb dort wo es schön warm und gemütlich war.

Ich trug über den Winter. Es wurde immer kälter und vor allem schwieriger meine Tochter in den Kiga zu bringen. Der Park ähnelte einer Eisbahn, nur das ich keine Schlittschuhe nutzen konnte. Mein Töchterchen interessierte das nicht. Sie stapfte munter drauf los und amüsierte sich über meinen watscheligen Gang. Ich wußte; das wird noch richtig lustig werden.

Die Monate vergingen ohne das ich nennenswerte Probleme hatte. Auch waren die Mutterbänder diesmal nicht so gemein wie bei der ersten Schwangerschaft. Ich überlegte schon ob es an der Zweitschwangerschaft lag, da kam mir der Gedanke; Mädchen sind gehässiger als Jungs. Es wird bestimmt ein Junge! Die Wetten innerhalb des Freundeskreises und der Familie waren schon lange im Gang und ich wollte keine falschen Hoffnungen wecken. Also wartete ich ab, bis der Arzt mir sagen konnte ob Es MIT oder OHNE war. Die ersten Strampler wurden schon geschenkt und man sah ihnen die Hoffnung derer an die sie mitbrachten. Rosa...sagte ich schon das Rosa nicht unbedingt meine Lieblingsfarbe ist? Türkis wäre da sicher angebrachter gewesen oder wenigstens etwas Buntes. Na ich wollte nicht nörgeln und tat meine Freude kund, wie es sich für eine brave werdende Mutter gehörte.

Es wurde langsam Sommer - zumindest nach den Wetterberichten! Draussen war es nicht besonders warm und ich war glücklich darüber. Meine Füße sahen aus als hätte ich sie unterspritzen lassen und wieder kam mir der Gedanke: Ob nun mein Körper zu 140% aus Wasser besteht? Es war kaum zu glauben, kleine runde Bälle mit kleinen Auswüchsen, sollten meine Füße darstellen. Nun, auch das würde vorbei gehen. So hoffte ich! Der Sommer - also die drei Wochen jährlich - wurde einfach nur heiß. Überall stöhnten die Menschen und manche fuhren sogar nackend mit der Bahn. Was für eine Berichterstattung in den Medien. Dabei konnte ich die Leute verstehen. Ohne Sonnenschirm und mindestens drei - vier mal duschen ging gar nichts. Der Bauch sah anders aus als bei der ersten Schwangerschaft. Er spannte auch mehr. Und so ging ich durch die Geschäfte mit einem Blick nach Kleidung für einen Jungen. Auch wenn ich nicht unbedingt an das Märchen mit dem spitzen Bauch für Jungs glaubte, so war in mir ein Gefühl nach Blau und Grün.

Ein wunderschönes kleines und altes Kinderbett ergatterte ich bei einer guten Bekannten, sowie die dazugehörige selbstgenähte Bettwäsche. Auch wenn sie Rosa war, ich liebte sie einfach. Liebevoll richtete ich die Kinderecke im Schlafzimmer ein. Ein Wickeltisch mit integrierter Badewanne in Blau und Türkis, es war himmlisch. Mit fortschreitender Schwangerschaft wurde auch mein Äusseres ein wenig unüberschaubar. Zumindest für mich! Als ich wieder einmal in unserem Einkaufszentrum durch die Passagen flanierte, sprach mich ein kleines Kind an: Sie sind aber dick! Die Überraschung war ihm anzumerken. So dicke Frauen gab es nicht oft. Die Mutter des so lieben und intelligenten Wesens versuchte die Situation zu retten: Die Frau ist nicht dick sie bekommt ein Baby. Das Kind suchte kurz nach dem Schanier zum aufklappen des Bauches und strahlte dann ihr Mutter an, nur um mit dem Hammer nach mir zu werfen: Nein Mami, sie ist dick! Ich lächelte freundlich und sah mich schon einmal nach einem gut geeigneten Gegenstand um, bei dem es sich auch um einen Unfall des Kindes hätte handeln können. Leider fand sich so schnell keiner und ich ging (zwar mit einem Lächeln) voller grausiger Gedanken weiter. Wieso gibt es Mütter, die es nicht schaffen, ihre Kinder aufzuklären? Sie mußte doch wissen wie sowas ist. Ich seufzte laut auf und rannte in Richtung Toilette. Mein kleines Monster in meinem Bauch trat mir ständig in die Blase und mir stand das Wasser schon in den Augen.

Ich schwor mich über solche Unerheblichkeiten nicht mehr aufzuregen und lies den Tag langsam an mir vorüberziehen. Im Café schlürfte ich mir ein Milchschake und schlemmte ein leckeres Eis weg. Das hab ich mir verdient! Dachte ich noch als eine Horde Jugendlicher an mir vorbei zog. Ey schau mal die Alte, die sollte weniger Eis essen. Selbst die Jugend wusste nicht was Schwanger bedeutet. Ich lachte den Jungen aus und er wurde ein bissel sauer. Seine Kameraden standen um ihn rum und versuchten ihn aufzuklären. Es war eine Freude zu sehen, das es wenigstens ein paar Kid's geschafft haben, der Evolution treu zu bleiben und sich zu entwickeln. Langsam schlenderte ich an den Klamottengeschäften vorbei ohne wirklich hinzusehen. Hätte mir ja sowieso nichts von gepasst. Bei der Pizzeria roch es herrlich und ich setzte mich an einen kleinen Tisch. Nein ich wollte gar keine Pizza, nur einen kleinen Salat. Der Kellner schwitzte als er mir meine Bestellung brachte. Ich verstand gar nicht warum? Was war bitte so schwer an einer Lasagne, einer Pizza und einem großen Salat mit Putenbruststreifen? Kopfschüttelnd saß ich da und fing an zu essen.

Herrliches Wetter, kam mir in den Sinn. Ich könnte eigentlich einen kleine Verdauungsspatziergang machen. So ging ich nach dem kleinen Imbiss in den schönen Park und schnappte die frische Luft auf. Das Café auf der anderen Seite hatte sicher geöffnet. Schon richtete sich mein Schritt nach meinen Gedanken. 14.00 Uhr, ich konnte noch einen kleinen Cappu trinken. Vielleicht eine Zeitung lesen oder das Buch was ich mitgenommen hatte. Also nahm ich an einem der runden Tische platz und bestellte eine Tasse Cappu sowie ein Stück von dem schönen Kuchen der reichlich mit Marzipan verziehrt war. Als ich damit fertig war überlegte ich, wann der Arzt mir endlich ein Mittel gegen die ständige Übelkeit geben würde. Es war kaum auszuhalten. Leicht grün im Gesicht holte ich meine Tochter vom Kindergarten ab. Zurück ging es nur per Bus. Den Weg hätte ich niemals zu Fuß geschafft. Mein Kreislauf machte mal wieder Schwierigkeiten und ausserdem hatte mein Mäuschen hunger. Auch bei mir meldete sich so ein Bedürfnis nach Tomaten und Käse. Also beeilten wir uns nach Hause zu kommen und ich machte erst einmal ein opulentes Mal aus Spagetti in Käse-Sahne-Soße und einem schönen Salat aus Tomaten, Gurken sowie Schafskäse.

Ich hatte schon wieder zugenommen, wie mir meine Waage sagte. Das Kleine in mir hatte scheins ein gutes Wachstum.

Der Sommer dauerte diesmal länger als die gewohnten drei Wochen und selbst im August war es noch warm aber erträglich. Der Termin für die Geburt rückte näher. Ich konnte es kaum noch erwarten. Trotz meiner wollüstig ausschweifenden Genußmittelverlustierung, hatte ich weniger zugenommen als in meiner ersten Schwangerschaft. Es mußte ein Junge sein. Der Arzt den ich damals hatte, war sich nicht sicher denn das schnuckelige Ding in meinem Bauch, verkreuzte immer die kleinen Beinchen vor dem was es auszeichnete. Aber ein Ultraschallfoto schien Aufschluß zu geben. Ich konnte es sehen. Ein kleines Entchen mit Schnabel! Mein Arzt war zwar der Überzeugung, dies wäre doch eher etwas anderes aber das war mir egal. Ich wollte diesen Jungen und ließ mir das auch nicht nehmen. Meine Tochter war fasziniert von den Auswüchsen die mein Bauch manchmal annahm. Ja er hatte einen kräftigen Tritt, der kleine Mann. Stolz ließ ich bei jeder Gelegenheit den Bauch frei, so das mein Töchterchen immer zusehen konnte wenn ihr kleiner Bruder wach war. Es beulte und zappelte und irgendwie schien mein Bauch sich zu bestimmten Zeiten in ein wogendes Meer zu verwandeln. Ich zeigte ihr Jedesmal wo der Kopf und der Po war. Sie war schon ein ziemlich aufgeklärtes kleines Mäuschen und wußte schon Anfang der Schwangerschaft wie eine Geburt von statten ging. Allerdings fing ich an zu Zweifeln ob das immer noch so war. Meine Mutter hatte ihr eine Steffipuppe gekauft, deren Bauch konnte man wegklappen. (Hier verstand ich was das Mädchen im Einkaufzentrum gesucht hatte) Auch meine Tochter meinte ca. eine Woche vor dem errechneten Termin: Mama wann sieht man denn wo der Bauch weggenommen wird? Ich sah sie fassungslos an und nahm meine Mutterpflichten in die Hand. Die Erklärung dauerte in Etwa drei Tage, denn immer wieder kam sie mit der Puppe angerannt und wollte mir zeigen wie es richtig gemacht wird. Mama du hast keine Ahnung ließ sie vernehmen. So geht das! Und ich resignierte. Nahm mir vor, nach der Geburt noch einmal das Thema auf den Tisch zu bringen. Die Vorwehen waren heftig! Das kannte ich gar nicht in der Form. Der Bauch senkte sich langsam Richtung Boden und wurde immer runder, wenn er auch immer noch recht Kugeligklein wirkte. Schnuffig - wie sich meine Freundin auszudrücken pflegte.

Es ging nun alles sehr schnell. Binnen von vier Tagen kam ich ins Krankenhaus...Wehen! Wie schon bei meinem Töchterchen, es konnte lange dauern! Wehen hm...Ja ich hatte Wehen aber ich merkte sie nicht! Mein Arzt sagte ich hätte Wehen und auch im Krankenhaus ließen sie sich nicht davon abbringen. Meine Schwester kam mich besuchen und war geschockt wie fertig ich war. Ich brummelte immer nur: Es ist noch nicht soweit. In Erinnerung an die erste Geburt, ging ich alle zwei Stunden zum CTG. Überraschenderweise war auch das Gerät davon überzeugt, dass ich Wehen hätte. Ich seufzte lautstark und konnte es nicht glauben. Ich fühlte nichts! Also ließ mich die Hebamme den Flur rauf und runter gehen und ganz viel Atmen. Mir war langweilig. Wie lange sollte das noch so gehen? Den Muttermund hatten sie auch noch nicht geprüft. Ich war völlig in meinen Gedanken als plötzlich ein Rucken durch meinen Körper ging. Die erste Wehe die ich spürte! Ich war fasziniert. Es ging tatsächlich los. Der Arzt war endlich da und meinte er müsse mich noch untersuchen. Also dackelte ich hinter ihm her und legte mich auf ein frisch bezogenes Bett. Aus dem ich nicht wieder aufstehen sollte bis das Kind da war. Der Überraschte ausruf des Arztes sagte alles. Auf einmal war die Hebamme und eine Schwester zugegen und alle versammelten sich um das Bett. Eine lange Spritze machte mich darauf aufmerksam: Nun wird es schmerzhaft werden!

Feindbild! Der Arzt spritzte, ich schrie und die Hebamme (übrigens die gleiche Hebamme wie bei der ersten Geburt) sagte zu mir das ich doch schon schlimmeres durchgestanden hätte. Feindbild erhob sich und kam zu mir ans Kopfende. Er legte seine Hände hinter meinen Rücken und hob den Oberkörper mit einem Ruck an. Ich bekam keine Luft mehr. Ich hatte wohl doch recht gehabt damals! Die wollten einen umbringen. Und wenn Gebärende keine Schmerzen hatte, so verschafften sie ihr welche! Ich spürte die Wehen heftiger werden und mittlerweile war auch mein Mann aufgetaucht. Er stand neben meinem Kopf als der Arzt mich dazu aufforderte mich auf die Seite zu legen. Das verursachte - dadurch das seine Hand noch da war wo eigentlich das Kind durch sollte, höllische Schmerzen. Ich sah neben meinem Kopf eine bestimmte Stelle von meinem Mann und es stiegen grausige Gedanken in mir hoch. Ich unterdrückte den Wunsch das zu tun was ich mir Bildlich und lebhaft vorstellte und konzentrierte mich auf das was Wichtig war.

Knapp 25 Minuten später war er da! Ein Prachtbursche und es hatte mich nicht mehr als ein Husten gekostet. Erstaunt dachte ich an die erste Geburt. Wie unterschiedlich das doch sein konnte. Es war unglaublich. Die Hebamme erledigte die üblichen Prozeduren und als sie ihn auf den Wickeltisch zum messen legte hörte sie den Ausdruck meines Erstaunens: So große Füße! Ich sah nur die Füße, der Rest des Babys lag so das ich keinen Blick drauf erhaschen konnte. Die Hebamme und auch der Kinderarzt waren sehr zufrieden und beglückwünschten mich zu diesem "strammen Jungen". Der Kleine Mann kam neben mich in mein Bett und ich erzählte ihm alles von seiner Schwester. Irgendwann schlief ich mit dem winzigen Bündel in meinen Armen ein. Es gab für mich nichts schöneres, nichts lieblicheres als dieses Baby und seine Finger waren so schmal und lang. Filigran würde ich sie beschreiben. Sein Gesicht war ebenmäßig und hatte keine - wie sonst so üblich - Knautschfalten. Er sah so toll aus! Und ich träumte von einer Zeit in der er mit seiner Schwester spielen konnte. - Wie sehr sich eine Mutter doch täuschen kann. *schmunzel*

 


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